Schön und Stark mit der Wunderkugel

Kettlebell Lifting ist eine Form des Kraftsports, für die einiges spricht. Die Kettlebell macht schöne Muskeln, funktionale Kraft und kostet nicht viel. Man kann mit ihr auf kleinstem Raum trainieren und sie auch überall hin mitnehmen. Im Internet wird sie hochgelobt, aber fragt man in Fitnessstudios nach ihr, werden die Trainer oft recht einsilbig.

Die Kettlebell ist in der Tat ein geniales Ding. Über ihre Geschichte habe ich hier ja schon berichtet. Für wenig Geld – meine Ausrüstung hat mich ungefähr 400 € gekostet – bekommt man etwas, das fast ein komplettes Sportstudio ersetzt. Das einzige Problem was ich im jahrelangen Training mit der Kettlebell festgestellt habe: Ich habe noch keine Übung gefunden, mit der man so richtig Muskelmasse am Pectoralis Major, dem großen Brustmuskel, aufbauen kann. So etwa in der Art, wie man es mit Bankdrücken erreicht. O.k., mit (kettlebellbeschwerten) Liegestützen sollte da etwas gehen. Dummerweise bin ich nun aber kein Freund von Liegestützen.

Mann beim Kettlebell Lifting
Kettlebell Lifting ist eine effektive Methode funktionale Kraft auf- und Fett abzubauen… (Bild: PxHere/Lizenz: PD)

Man kann wohl, wenn man unbedingt will, auch mit Kettlebells respektable Muskelmasse aufbauen. Dafür ist sie aber nicht wirklich geeignet. Die Stärke der Kettlebell liegt darin, Kraftausdauer und funktionale Kraft zu erzeugen. Also Kraft, die sich praktisch einsetzen lässt, also zum Beispiel beim Kampfsport, Turnen aber auch bei körperlicher Arbeit wie zum Beispiel in der Pflege oder auf dem Bau.

Auch gut geeignet für Frauen und ältere Leute

Auch für Frauen eignet sich die Kettlebell hervorragend. Richtig eingesetzt erzeugt sie zwar keine übermäßig großen, dafür aber schöne Muskeln. Das Kettlebell-Training erzeugt bei Frauen keinen Männerkörper à la Caroline Wang, sondern ansprechende weibliche Formen. Man kann das sehen, wenn man sich bei YouTube Videos von Meisterschaften der Frauen angeguckt.

Übrigens kommt man ab einem bestimmten Alter, egal ob Mann oder Frau, eigentlich nicht um den Kraftsport herum. Bereits um die 40, oder sogar früher, beginnt der Körper Muskelmasse abzubauen und gar auch noch durch Fett am Torso zu ersetzen. Die Folge sind sackartige Körper mit spindeldürren Gliedmaßen. Zum Glück bleibt aber die Fähigkeit, Muskeln aufzubauen, lebenslang erhalten. Man kann sich also mit Kraftsport auch im Alter einen harmonischen Körper erhalten.

Ketllebell Lifting Tätowierter Mann mit Kettlebell
Kettlebell Lifting ergibt normalerweise nicht so viel Muskelmasse, dafür aber funktionale Kraft, Kraftausdauer und eine gute Definition (Bild: PxHere/Lizenz: PD)

Man sollte das auch tun, da Muskeln im Gegensatz zu Fett das Herz unterstützen. Außerdem verbrauchen sie bei gleicher Masse mehr Energie. Man kann also mehr essen ohne zuzunehmen. Ist auch was wert – bekanntlich ist Essen ja der Sex des Alters…

Dazu kommt, dass die Arbeit mit der Kettlebell sehr intensiv wirkt. Man kommt mit relativ wenig Zeitaufwand aus. Da man mit der Kettlebell sehr gut auch zuhause trainieren kann, entfallen zudemdie Wegezeiten, die mit dem Training im Studio verbunden sind. Außerdem natürlich die Kosten für Training und Fahrt ins Studio und man muss sich auch nicht vor allen Leuten plagen.

Zugang zum Kettlebell Lifting

Dummerweise ist nun aber der Zugang zum Kettlebell Lifting nicht ganz einfach. Beim Training mit der Kugelhantel ist, besonders bei den typischen Übungen, allerhand kinetische Energie im Spiel. Massen, die eine bestimmte Geschwindigkeit haben, also Wucht. Dadurch entsteht eine nicht ganz unerhebliche Verletzungsgefahr. Deswegen liest man immer wieder, dass man sich das Kettlebell Lifting nicht selbst beibringen solle. Naseweis wie ich bin und mit dem Argument, dass ich ja in meiner Jugend schon Erfahrungen mit dem Oldschool Bodybuilding gesammelt habe, habe ich es trotzdem probiert. Ich möchte das aber nicht unbesehen jedem empfehlen, denn vielleicht hab ich ja auch nur Glück gehabt.

Kettlebell Lifting: Frau mit Kettlebells
Kettlebell Lifting eignet sich auch hervorragend für Frauen: Es macht keine massigen Muskelberge a la Caroline Wang, sondern eine sexy Figur (Bild: PxHere/Lizenz PD)

Wenn man im Internet die Lobeshymnen auf die Eisenkugel mit Griff vernimmt, denkt man, dass wohl jedes Sportstudio, das auf sich hält, auch Training mit der Kettlebell anbietet. Dem ist aber offensichtlich nicht so. Meine ehemalige Lebensgefährtin wollte auf meinen Rat hören und suchte daher nach einem Studio, das Kettlebell Lifting anbot. Selbst in einem großen und namhaften Ulmer Studio gab es lediglich die eine oder andere Kettlebell-Übung im Rahmen von Crossfit-Workouts.

Warum das so ist, kann man sich eigentlich denken: Kettlebell Lifting ist kein gutes Geschäft für den Betreiber eines Sportstudios. Viele Leute würden nämlich – so wie es meine Freundin vorhatte – lediglich den Umgang mit der Kugelhantel im Studio erlernen und dann zuhause weitermachen. Und womöglich würden das sogar altgediente Stemm-Adepten tun, die viele Jahre treue Stammkunden auf den Hantelbänken und an den Maschinen waren.

Oft wird also nichts anderes übrig bleiben, als auf eigene Faust einzusteigen. Anleitungen dazu gibt es im Netz genug, nicht zuletzt auch jede Menge Videos bei YouTube. Eine andere Möglichkeit wäre, dass man es sich privat von einem zeigen lässt, der es bereits drauf hat. Mein Sohn zum Beispiel hat es sich von mir beibringen lassen. Der hatte aber zu diesem Zeitpunkt ebenfalls bereits einige Erfahrungen mit dem Kraftsport allgemein gesammelt.

Trainingsablauf

Man kann wie bei anderen Gewichtstrainings auch das Training mit der Kettlebell auf unterschiedliche Art und Weise aufbauen. In den Videos bei YouTube zum Beispiel sieht man oft, dass hier eine Übung jeweils eine bestimmte Zeit lang wiederholt wird. Wenn man das länger ausdehnt, kommt dabei sicherlich die Cardio-Komponente des Kettlebell Lifting besonders gut zur Wirkung. Anders als die herkömmlichen Übungen mit Hanteln und Maschinen soll nämlich der Umgang mit der Kugelhantel auch einige Cardio-Wirkung haben. Also das, was man früher aerobisches und ganz früher Ausdauertraining nannte.

Das sind die drei „klassischen“ Kettlebells ein, eineinhalb und zwei Pud – 16, 24 und 32 kg. Aber keine Angst… (Bild: Autor)

Ich persönlich habe mich bisher zum Teil an meinen Erfahrungen aus dem Oldschool Bodybuilding orientiert. Ich begann damit, wie ich es aus dem Studio kannte, pro Übung vier Sätze zu etwa zehn Wiederholungen zu machen und das ganze nach Muskelgruppen einzuteilen: einen Tag Schulter und Trizeps, dann Brust und Bizeps und am dritten Tag Rücken und Beine. Insgesamt jeweils etwa zehn oder elf Übungen inklusive Situps und Bein heben in Rückenlage für die Bauchmuskeln.

Nach einiger Zeit stellte ich das ganze um und mache nun die Übungen als Zirkeltraining, also je ein Satz von jeder Übung und dann wieder von vorne. Mit Aufwärmen und Abkühlen vor bzw. nach den Übungen dauert das ganze etwa eine Stunde, eher etwas weniger. Zum Aufwärmen mache ich Aerobic im Stil der Achtziger zu einem entsprechenden Song. Am Anfang des Songs mache ich ein paar Lockerungsübungen für die Gelenke.

Zum Abkühlen dann wieder Aerobic und zwar praktisch immer „One Night in Bangkok“, weil man zu diesem Song so schön posen kann, was ich dann immer jeweils auf den Refrain mache. Schließlich ist mann ja auch eitel… Aber im Ernst: Ich vermute stark, dass das genüssliche Betrachten des eigenen Trainingsergebnisses im Spiegel einiges zum Erfolg beiträgt. Sport hat immer auch eine psychische Komponente. Und: Nothing succeedes like Success…

Wie oft, wie viel Gewicht beim Kettlebell Lifting?

Als ich seinerzeit mit dem Kettlebell Lifting anfing, um abzunehmen, trainierte ich zunächst dreimal in der Woche, also jeweils einmal jede der drei Muskelgruppen-Kombinationen. Als ich dann nach einigen Wochen schon etwas Kondition gewonnen hatte, ging ich dazu über, das Programm zweimal durchzuziehen, also an sechs Tagen pro Woche zu trainieren. Damit schaffte ich es, in insgesamt etwa sieben Monaten von 130 auf 92 Kilo herunterzukommen. Irgendwann reduzierte ich dann wieder auf drei Trainingstage in der Woche.

… es gibt auch kleinere Gewichte: acht und zwölf Kilogramm wie hier und auch noch kleinere mit vier und sechs Kilogramm. (Bild: Autor)

Eine Zeit lang orientierte ich mich zusammen mit einer anderen Lebensgefährtin – Oha, noch mal jemand dem ich den Umgang mit den Kugelhantel beigebracht habe – auch an einem Workout, dass der weißrussische Kettlebell-Champion Oleg Maklak in einem YouTube-Video zeigt. Allerdings machten wir jeweils drei Durchgänge anstatt der dort gezeigten lediglich zwei. Oleg Maklak zeigt die Übungen – es handelt sich um ein Workout für Anfänger – mit einer 16 kg Kettlebell. Wenn er ernsthaft trainiert, wird er sicherlich ein weit größeres Gerät zur Hand nehmen.

Aber auch 16 kg sind allerhand für einen Anfänger; der weißrussische Meister propagiert nämlich das Training mit möglichst hohen Gewichten. Er zielt nämlich auf den schnellen Aufbau von schierer Körperkraft ab. Das ist nun nicht für jedermann etwas. Es gibt hier aber auch andere Philosophien, wie wir noch sehen werden.

Wenn man mit Kettlebell Lifting massiv Gewicht abnehmen will, wird man wohl sechsmal die Woche trainieren müssen. Diese Erfahrung machte ich übrigens auch mit dem Oldschool Bodybuilding. Bei meiner Gewichtsabnahme mit der Kettlebell habe ich übrigens kaum bis gar nicht gehungert. Allerdings habe ich Zucker stark reduziert und abends oft Low Carb gegessen.

Welche Kettlebell(s) für den Einstieg ins Kettlebell Lifting?

Die klassischen Kettlebells, so liest man, sind die mit einem, eineinhalb und zwei Pud, also 16, 24 und 32 kg. Allerdings ist nun die 32er ein ganz schönes Gerät. Meine heißt deswegen die „Seniorchefin“. Die 28er ist die „Chefin“ und die 24er die „Juniorchefin“. Die Seniorchefin setze ich aber im Grunde nur für den Press in Rückenlage ein, als Ersatz für das Bankdrücken. Ich habe sie aber auch schon für den Sumo Squat eingesetzt.

Eugen Sandow
Eugen Sandow, der Pionier des Bodybuilding arbeitete viel mit Kettlebells (Bild: Historisch)

Diese drei Ungetüme habe ich mir im Internet bestellt. Beim örtlichen Sportartikelhändler gab es nur welche bis 20 kg. Mit so hohen Gewichten wird man beim Kettlebell Lifting aber, wenn überhaupt, erst nach einer ganzen Weile umgehen. Für den Anfang tun es wesentlich kleinere Gewichte.

Vorhin habe ich im Internet gelesen, dass das Männer als Einstiegsgewicht die 12 kg-Variante nehmen sollten. Wenn sie bereits Krafttraining gemacht haben, auch die 16 kg-Kettlebell. Frauen sollten mit 8 kg einsteigen, wenn sie bereits schon krafttrainiert sind, auch mit 12 kg.

Meine persönlichen Erfahrungen mit den ersten Kugeln fürs Kettlebell Lifting

An einer anderen Stelle lese ich gerade, dass Anfänger mit 6-16 kg trainieren sollten, Fortgeschrittene mit 16-24 kg und Profis mit 24-32 kg. Ich persönlich verwende in meinem speziellen Workouts sehr unterschiedliche Gewichte. Das liegt aber vermutlich daran, dass ich auch Übungen aus dem Oldschool Bodybuilding mache, die sich für Kettlebells adaptieren lassen.

Ich mache beispielsweise Übungen, die man normalerweise mit der Kurzhantel macht, also verschiedene eigenhändige Curls für Bizeps und Trizeps. Da kommen dann die kleineren Kettlebells zum Einsatz. Außerdem kann man zum Beispiel zweibändige Bizepscurls, die man normalerweise mit einer Langhantel an der SZ-Stange macht, auch mit einer entsprechend schweren Kettlebell durchführen.

Wenn ich voll im Training bin, können da Gewichte von 8-32 kg zum Einsatz gelangen. Das ist aber meine ganz persönliche Methodik. Das andere Extrem beim Kettlebell Lifting sind Workouts, bei denen man mit einer oder maximal zwei Kugelhanteln auskommt. So etwas ist dann natürlich ideal, wenn man sein Training mal am See oder im Park durchführen möchte oder die Sportgeräte mit in den Urlaub nimmt.

Angefangen habe ich mit einer 16 kg und einer 12 kg Kettlebell. Dann habe ich mir eine oder gleich beide 8 kg Kugeln angeschafft, irgendwann auch eine zweite 12er und eine zweite 16er. Bei der 20 kg Bit-Kettlebell war dann im Sportartikelladen Ende Gelände und die drei Chefinnen habe ich mir dann nach und nach im Internet bestellt.

Insgesamt stecken etwa 400 € in meinem Arsenal. Das ist nicht viel Geld, wenn man sich überlegt, was man für Langhanteln, Kurzhanteln, Hantelbänke und Maschinen ausgeben muss. Da ja die kleineren Kettlebells auch billiger sind als die großen und man sich nach und nach immer größere anschafft, kann es beim Einstieg in das Kettlebell Lifting bei einem zweistelligen Eurobetrag bleiben.